Michael Strauch im Nov. 2000

Thema: Ihr habt Spuren hinterlassen...! Hat mein Leben Profil?

Einleitung:

In der Küche hängt ein selbstgebastelter Kalender. Menschen aus meiner ersten Gemeinde haben in uns zum Abschied geschenkt. Auf ihn schaute ich, als ich nach einem Thema für den heutigen Gottesdienst nachdachte. Auf dem Kalender war ein Foto mit Reifenspuren. Darunter stand: "Nur wer Profil hat, hinterläßt Spuren und Eindrücke. Ihr habt Eindrücke hinterlassen!"

Wir haben in unserer alten Gemeinde nach Ansicht eines jungen Ehepaares "Eindrücke hinterlassen!" Vielleicht denken nun manche, wir waren sehr erfolgreich. Ob wir erfolgreich waren, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß es auch nicht. Aber was ich weiß, daß diese Jahre zu den härtesten und angefochtesten Zeiten meines Lebens und das meiner Frau gehörten. Wie sehr haben wir immer wieder gerungen um die eine Frage: was ist echtes geistliches Profil? Und das verrückte war, daß wir meinten, es tief im Herzen zu wissen. Aber es gelang uns nicht, es genau in Worte zu fassen. Da hörte ich von einem Mann, der bezüglich unserer Versammlungen folgende Aussage machte: "Dort bringt mich keiner hin. Die Herzen sind so kalt." Offenbar suchte er bei Christen etwas ganz Bestimmtes. Etwas, was es nur dort zu finden gibt. Doch er erlebte nur, was er von seinem Arbeitsplatz schon kannte. Offenbar gehört für ihn die Liebe elementar zu einem christlichen Profil. Statt dessen erlebte er persönliche Profilierungssucht. Aber wirkliches, echtes, geistliches Profil? Gibt es das überhaupt?

1. Echtes Profil wird im Feuer gebrannt

Vielleicht muß ein Mensch, der wirklich profiliertes Christsein erleben will, zum Profilgottesdienst. Ich habe mich gefragt, warum die Veranstaltung so genannt wurde. Sollte sie sich wohltuend unterscheiden von anderen Gottesdiensten? Sollte man im Profilgottesdienst etwas finden, was man sonst zu wenig erfährt? Oder heißt er Profilgottesdienst, weil er ganz gewiß so professionell als möglich vorbereitet wird. Das Wort Profil kommt eigentlich aus dem lateinischen und bedeutet: Seitenansicht eines Gesichtes. Es ist die spezifische, einmalige Kontur eines einmaligen Menschen. Auch beim Reifen spricht man von Profil. Ich vermute, daß ein Michelin eine andere Kontur hat als ein Firestone. Ein Profilgottesdienst sollte demnach etwas haben, was spezifisch christlich ist. Etwas, was es besonders in der Gemeinde Jesu gibt und was sie am besten weiter zu geben weiß. Was ist aber das Profil, an dem man die Gemeinde erkennt? Ist es eine packende Predigt? Gute Musik und ein fetziger Moderator? Sicher auch. Aber das gibt es woanders auch. Und oft noch besser. Was ist das typische Profil, woran man Jesu Kinder erkennen sollte? Jesus Christus sagt es uns in Johannes 13,35: "Daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt!" Es heißt nicht, zu allem Ja und Amen zu sagen. Das wäre profillos. Es heißt, daß die Welt die christliche Gemeinde an der Liebe erkennen kann. Albert Schweizer hatte mal ursprünglich Theologie studiert. Er ist an diesen Fragen zerbrochen. Mit den Worten: Jesus habe sich geirrt. Die Forderung nach Liebe ist viel zu unrealistisch und zu hoch gegriffen. Darauf schmiss er das Theologiestudium und ging als Arzt nach Lambarene. Er wurde bekannt für die eine Seite echten christlichen Profils: die Liebe zu den kranken, hilfsbedürftigen Menschen. Ist Jesu Forderung zu hoch gegriffen? Oder ist unser Profil abgefahren und platt? Interessanterweise erlebe ich diese Liebe und Barmherzigkeit besonders bei Menschen, die in ihrem Leben sprichwörtlich durch die Hölle gegangen sind. Ich weiß nicht, warum Gott das viele Elend zuläßt. Aber eines weiß ich: Das Leid hat viele Menschen barmherziger werden lassen. Offenbar benutzt Gott - und ich möchte das nicht leichtfertig sagen - das Leid in all seinen schweren Facetten, um Menschen barmherzig zu machen, nüchtern und einfühlsam. Profil, im Feuer gebrannt. Aber warum muß Gott zu solchen Mitteln greifen? Warum ist die deutsche Christenheit so entsetzlich profillos? Trotz tausender professionell gemachter Veranstaltungen? Vielleicht fehlt es an dem zweiten Kennzeichen echten, geistlichen Profils! Vielleicht muß uns auch erst vieles aus der eigenen Hand genommen werden, bis wir dieser Anfrage an uns uns ehrlich stellen können:

2. Echtes Profil greift zu

In Joh 21,16 fragt Jesus einen Mann, der erfolgreicher Unternehmer eines kleinen Fischereibetriebes war, ein dreijähriges Theologiestudium beim Gott persönlich vollzogen hat und den man später zum Oberhaupt der Kirche deklarierte eine Frage, die grotesk wirkt: Hast du mich lieb? Jesus fragt einen Mann, der viel für Jesus getan und alles verlassen hat um seinetwillen nach dem entscheidenden, christlichen Profil: die Liebe zu ihm. Denn offenbar kann man viel für Jesus unterwegs sein. Man kann auch sich oft in seiner Nähe aufhalten. Und trotzdem ihn nicht lieben. Echtes geistliches Profil heißt: ich habe Christus lieb.

Das ist es, das echte geistliche Profil. Freundliche, liebevoll miteinander umgehende Menschen. Menschen, die nicht vor dem Leid ihres Nächsten fromm die Augen schließen, sondern die anpacken. Menschen, die Christus lieben und ihm dienen wollen. Das sind die Kennzeichen echten, christlichen Profils. Wenn ich nun aber mich betrachte, dann sehe ich nur, daß mein geistliches Profil ganz schön abgefahren ist. Was mache ich nun?

Vor einiger Zeit sagte mir mein Autohändler, die Reifen seien abgefahren. Es bräuchte neue!" Ich dachte an die hohen Kosten und verdrängte diesen Gedanken. Aber jeder weiß, daß ein abgefahrenes Profil einem das Leben kosten kann. Ich glaube, daß das Eingeständnis der Wahrheit der Beginn ist auf dem Weg zu einem neuen Profil. Die Wahrheit, wie es wirklich um mich als Christ steht. Die Bibel spricht hier von der "Buße", von der "Umkehr" oder - wie es am besten übersetzt sein würde: von der "Sinnesänderung!" Das Eingeständnis der eigenen geistlichen Profillosigkeit und der persönlichen Profilierungssucht ist der Beginn. Ich glaube, ich muß mich grundsätzlich für einen neuen Lebensstil als Christ entscheiden.

Gott ringt an dieser Stelle sehr um uns. Und oft führt Gott uns in schwere Situationen hinein. In Momente, wo wir still leiden und nicht wissen, wie wir das Morgen bewältigen sollen. Auch das Wissen um das tägliche Versagen fällt schwer. Aber gerade im Leiden vollzieht sich der Prozess der geistlichen Profilierung. Denn das Leiden führt eines klar ans Licht: ich habe nichts zu bringen. Meine Leistungen reichen nicht aus. Ich habe weder genug Gottesliebe noch Liebe zu den Menschen. Aber diese Kontur, dieses spezifisch geistlich kann und will Gott schenken. Er hat versprochen, das steinerne Herz seiner Gemeinde einzutauschen in ein fleischernes. Somit kommt echtes geistliches Profil nur von Gott selbst. Er muß es tun. Ich mühe mich vergeblich. Aber wie komme ich nun konkret dazu, dieses Muster zu erlangen?

3. Echtes Profil schafft Nachdruck

Auch hier hat der Herr einen entscheidenden Satz gesagt: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun. (Joh 15).

Echtes Profil erlangt man nicht durch viele Aktivitäten. Offenbar geht es mehr um ein Bewußtsein. Um das Bewußtsein, mit Christus eins zu sein. Jesus konnte von sich aus sagen, daß er nichts ohne den Vater täte. Offenbar befand er sich in ständigem Gebet oder in einer Art geistlichem Blickkontakt bei allem, was er tat. Sein Leben bewegte sich in vergleichsweise engen Grenzen. Er mußte sprichwörtlich durch die Hölle hindurch.

Sein Erfolg ist zum damaligen Zeitpunkt geradezu null. Und doch hat sein Leben einen bleibenden Nachdruck hinterlassen.

Ich möchte noch einmal zusammen fassen. Ich glaube, daß der Beginn zu echtem geistlichen Profil in der Buße liegt. Ich glaube, ich brauche einen Punkt in meinem Leben, wo ich mit Gott eine geistliche Inventur, eine geistliche Bestandsaufnahme mache und mich ihr ehrlich stelle. Ein stilles Wochende oder ein stiller Tag außerhalb meines gewohnten Umfelds kann sicher hier sehr hilfreich sein. Bei dieser Bestandsaufnahme geht es weniger darum, wieviel Sünden ich getan oder unterlassen habe. Sondern die primäre Frage ist: wie ist meine Beziehung zu Jesus Christus. Lebe ich mit ihm oder neben ihm? Es ist wie in einer Ehe oder in einer Freundschaft. Ohne Zeit füreinander, ohne Gespräche, ohne das Eingestehen von Fehlern und dem Wunsch, es besser zu machen, wird eine Beziehung kaum wachsen können.

Ich werde feststellen, daß ich Jesus nichts zu bringen habe und mich alles überfordert. Jesus will mich nicht überfordern. Im Gegenteil, er will mich segnen, ausrüsten, begleiten. Wie kann ich das aber, wenn ich ständig on tour bin? Wie können Jesus nichts bringen, aber ohne das Einüben geistlicher Bausteine wird unsere Beziehung zu Jesus nicht wachsen und wir werden an Profil nicht gewinnen.

Schluß

In meiner ersten Gemeinde erzählte mir ein Mann von einem Sterbeerlebnis. Er war klinisch tot und ist wieder zurückgeholt worden. Er sagte mir: "Michael, was du als Christ bis zum Zeitpunkt des Todes nicht gelebt, nicht geübt und nicht ernstgenommen hast, das greift dann auch nicht." Seit diesem schmerzlichen Erlebnis hätte sich sein ganzes Gebetsleben verändert. Anders ausgedrückt: wenn es heißt, wir sollen zuerst nach dem Reich Gottes trachten, so meint der Herr nicht unermüdlich Einsatz in der Gemeinde. Das Reich Gottes ist nicht primär eine Tat, sondern eine Person. Das Königreich Gottes ist Jesus selbst. Und mein geistliches Profil steht und fällt mit der Frage: Hast du mich lieb? Es ist keine Frage nach meinen Taten, sondern eine Frage nach meiner Beziehung. Die Beziehung aber pflege ich über das Gebet, über das Hören durch die Bibel und durch Wunsch, Gottes Willen zu tun. Nicht als Gesetz, vielmehr im täglichen Leben fest verankert. Amen.